Institut für Palaeoanatomie und Geschichte der Tiermedizin
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Tibetische Veterinärtexte

Der Abschnitt aus der Handschrift beschreibt eine Bauchverletzung nach einer Attacke durch ein Yak, mit Vorfall der Därme (Foto Institut für Paläoanatomie und Geschichte der Tiermedizin).

Tibetische Handschriften zur Hippiatrie und Hippologie

Grundlage für den beitrag zur Geschichte der Tiermedizin im Rahmen des Projektes bilden im wesentlichen elf Textkonvolute unterschiedlicher Provenienz, von denen acht aus Mustang bzw. Dol-po stammen. Die Analyse und Überstzung dieser Texte schuf einen verlässlichen Wegweiser, der einen in den Inhalt und die Struktur dieser Texte einführt.Wichtig für die Form der Überlieferung dieser Texte zur tibetischen Pferdeheilkunde ist die Feststellung, dass diese Texte mit Sicherheit außerhalb der Gelehrsamkeit tibetischer Klöster überliefert worden sind, und zwar die mit erheblichen Folgen für die Orthographische Gestaltung der überlieferten Texte. Die Vielzahl orthographischer Deviationen vom sogenannten klassischen Tibetisch ist aber nicht nur charakteristisch für die vorliegenden Texte. Vergleichbares findet sich auch in Theatertexten aus Tibet und Rechtstexten aus Mustang. Beide Textgattungen sind im wesentlichen nach Diktat von Schreibern mit wenig Kenntnis der klassischen tibetischen Schriftsprache niedergeschrieben worden. Der gegenwärtige Zustand, dass die praktizierenden Tierärzte - von einer Ausnahme abgesehen - Analphabeten sind, und ohne Rückgriff auf die tiermedizinischen Texte praktizieren, dürfte nicht den Regelzustand widerspiegeln, der in der Vergangenheit bestanden hat. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass praktizierende Pferdeärzte, auch wenn sie Analphabeten waren, Teile der Texte - wie das übrigens auch bei Schauspielern der Fall war - auswendig konnten. Die zahlreichen orthographischen Unregelmäßigkeiten der vorliegenden Texte lassen sich nicht nur als Abschreibfehler erklären. Dem Prozeß der Niederschrift auswendig beherrschter Texte nach Diktat ist hier ebenfalls Beachtung zu schenken.

Die Untersuchung zerfällt in drei Hauptteile, eine umfangreiche Einleitung, die Edition und Übersetzung exemplarisch wichtiger Teile der vorliegenden Texte und einen für die tibetische lexikographie wichtigen Glossarteil.

Die speziellen Untersuchungen zu den tibetischen Texten ist in den Kontext der weiterreichenden Entwicklung der Veterinärmedizin im Orient und Okzident zu stellen, wobei sich erstaunliche Parallelen zur Veterinärmedizin im mittelalterlichen Europa zeigten. Darüber hinaus beschäftigt sich die Untersuchung intensiv mit der Frage, welche nicht tibetischen Einflüsse für den heutugen Inhalt der pferdemedizinischen Texte maßgeblich waren. Entgegen der bisherigen Annahme zeigte sich, dass nicht nur indische Einflüsse die tibetische Hippologie und Hippiatrie geprägt haben, sondern dass insbesondere chinesische und zentralasiatische Traditionen von besonderer Bedeutung waren.

Es ist ein wesentliches Merkmal der Untersuchung, dass sie nicht gleichsam in einem Handschriftenarchis am Schreibtisch entstanden ist. Dies zeigt da Kapitel welches sich mit der Bedeutung der traditionellen tibetischen Hippiatrie für die Praxis der heutugen Zeit in Tibet und West-Nepal beschäftigt sowie in der Beschreibung heutiger therapeutischer Maßnahmen und Behandlungsinstrumente. Die dürfte für Geschichtsforscher, die nicht auf Tibet spezialisiert sind und Tibetologen, deren Spezialgebiete außerhalb der Medizin liegen, besonders hilfreich sein.

Literatur

Maurer P. & von den Driesch A., 2006. Tibetan ‹Horse Books› from the High Himalayas. In: S. L. Olsen, S. Grant, A. M. Choyke & L. Bartosiewicz, Horses and Humans: The Evolution of Human-Equine Relationships, 355-361. BAR International Series 1560. Oxford: Archaeopress Publishers.

Maurer P., 2001. Handschriften zur tibetischen Hippiatrie und Hipplogie, Bonn 2001 (Beiträge zur Zentralasienforschung, Band 8) (Dissertation).

von den Driesch A., Maurer P., 1999. Das hilft; das ist gut. Pferdebücher aus dem tibetischen Himalaja. Sudhoffs Archiv 83, 73-108.