Institut für Palaeoanatomie und Geschichte der Tiermedizin
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Alt-DNA

Nach heutigem Kenntnisstand liegt konservierte Alt-DNA jedoch fast ausnahmslos in hoch degradiertem Zustand vor (z.B. Edwards et al. 2004), sodass sich lediglich kurze Abschnitte von wenigen hundert Basenpaaren extrahieren und mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifizieren lassen. Aufgrund der bevorzugten Amplifikation intakter, faktisch ubiquitärer DNA ist das Kontaminationsproblem hochevident, so dass sehr strenge Authentifizierungskriterien an das Amplifikationsprodukt gestellt werden müssen (Lalueza-Fox 2003).

Mitochondriale (mt)DNA-Analysen dienen der Identifikation von Individuen (vor allem bei Menschen) und der Verwandtschaftsanalyse, aber auch zu Untersuchungen zur Populations-genetik und Stammesgeschichte bei Mensch und Tier. Da die mtDNA nur mütterlicherseits vererbt wird (Eizelle), lassen sich hiermit nur die sog. Matrilinien verfolgen. Zur Erforschung der Patrilinien wird Y-chromosomale DNA benötigt, die sich nicht in den Mitochondrien sondern im Zellkern befindet und deshalb nur selten extrahiert werden kann.

Bezogen auf die Tierwelt bestätigen und ergänzen die an modernen Haustierrassen in den letzten 15 Jahren durchgeführten mtDNA-Untersuchungen die meisten bereits mittels zoologischer (z.B. Herre & Röhrs 1990) bzw. archäozoologischer Analysen (z.B. archäo-zoologische Beiträge in Paléorient 25.2: 1-85) gewonnenen Einblicke zur Stammesgeschichte, Herkunft und Verbreitung von Haustieren. Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser DNA-Forschungen zählen die Hinweise auf multiple Domestikationsgeschehen und -regionen bei Haustieren wie Hund, Rind, Ziege und Schwein (zusammenfassend s. Zeder et al. 2006). Sehr umstritten sind jedoch die Schätzungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Haustierwerdung mit Hilfe der sog. „Molekularen Uhr“. So „datierten“ z.B. Vila et al. (1997) das Vorkommen der ersten Haushunde auf über 70,000 Jahre, ein Alter, das sowohl aus kulturhistorischer als auch methodischer Sicht verworfen werden muss (Vigne et al., 2005; Ho & Larson 2006).

In jüngerer Zeit werden die für moderne Rassen vorhandenen Daten den Erbinformationen in archäologischen Tierknochen gegenübergestellt. Diese aufwendige Prozedur führt nicht bei jedem Knochen zu verwertbaren Ergebnissen (z.B. Edwards et al. 2004), wobei die Lagerung unter ariden Bedingungen sich besonders verheerend auswirkt (Bollongino & Vigne 2007). Die Ergebnisse tragen zunehmend zum Verständnis der Verbreitung der Viehzucht nach Europa von den Zentren im Nahen Osten bei (z.B. Kühn et al. 2005; Edwards et al. 2007).

nach obenAufgrund der geringen Erfolgsquote sind Arbeiten mit chromosomaler konservierter altDNA eine absolute Seltenheit in der Archäozoologie. Besonders die Einbeziehung kodierender chromosomaler DNA-Sequenzen ermöglicht jedoch konkrete Einblicke in die den Genprodukten zugrunde liegenden Erbinformationen. Das Aussagepotenzial ist daher beträchtlich und reicht von der molekulargenetischen Geschlechtsbestimmung, über die Rekonstruktion von Verwandtschaftsbeziehungen bis hin zur Erfassung von Exterieur- und Leistungsmerkmalen (z.B. Milch). Zur Identifikation von Individuen und Rekonstruktion von Verwandtschaftsbeziehungen dienen in der Regel Mikrosatelliten-Längenpolymorphismen (short tandem repeats, STRs), während die Untersuchung kodierender DNA-Sequenzen in Skelettüberresten sowohl im Hinblick auf medizinische, funktionsanalytische als auch populationsgenetische Fragestellungen von großer wissenschaftlicher Relevanz ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Alt-DNA-Analysen ganz neue Perspektiven eröffnen, die für das Verständnis der vor- und frühgeschichtlichen Tierwelt und der Mensch-Tier-Beziehungen in der Vergangenheit enorm wichtig sind. Solche molekularbiologischen Analysen können jedoch keineswegs die „traditionellen“ Untersuchungsmethoden ersetzen, wenngleich dadurch erstmals Möglichkeiten geschaffen werden, die herkömmlichen Methoden zu überprüfen.nach oben

Literatur

  • Bollongino R. & Vigne J.-D., im Druck. Temperature monitoring in archaeological animal bone samples in the Near East arid area, before, during and after excavation. Journal of Archaeological Science doi:10.1016/j.jas.2007.06.023.
  • Edwards C.J. et al., 2004. Ancient DNA analysis of 101 cattle remains: limits and prospects. Journal of Archaeological Science 31: 695-710.
  • Herre W. & Röhrs M., 1990. Haustiere – zoologisch gesehen. Stuttgart / New York: Fischer.
  • Ho S.Y.W. & Larson G., 2006. Molecular clocks: When times are a-changin'. Trends in Genetics 22: 79-83.
  • Kühn R., Ludt C., Manhart H., Peters J., Neumair E. & Rottmann O., 2005. Close genetic relationship of early Neolithic cattle from Ziegelberg (Freising, Germany) with modern breeds. Journal of Animal Breeding and Genetics 122 (Suppl. 1): 36-44.
  • Lalueza-Fox C., 2003. Bone Collections are DNA data banks. In: Grupe G. & Peters J. (eds.), Decyphering ancient bones. Documenta Archaeobiologiae 1. Rahden/Westf.: Leidorf, pp. 165-174.
  • Vila C. et al., 1997. Multiple and Ancient origins of the Domestic Dog. Science 276: 1687-89.
  • Vigne J.-D. et al., 2005. New archaeozoological approaches to trace the first steps of animal domestication: general presentation, reflections and proposals. In: Vigne J.-D. et al. (eds.), The first steps of animal domestication. Oxford: Oxbow Books, pp. 1-16.
  • Zeder M.A. et al., 2006. Documenting Domestication. New genetic and archeological paradigms. Berkeley: University of California Press.