Institut für Palaeoanatomie und Geschichte der Tiermedizin
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Makroskopische Untersuchungen

Artbestimmung

Zur Bestimmung der Tierart bedarf es einer Osteothek. Sie besteht aus einer Skelettsammlung rezenter Wirbeltiere. Von jeder Art sollte eine Serie von Individuen verschiedener Altersstufen (Adult, Juvenil, Infantil), beiderlei Geschlechtern (Sexualdimorphismus), ggf. Kastraten vorhanden sein. Besonders bei Fischen sind Serien unterschiedlicher Größe erforderlich. Die Malakologische Sammlung enthält Gehäuse von Schnecken und Muschelschalen.

Erst wenn man bereits vergleichend-osteologisch gearbeitet hat, kann man sog. Atlanten als Bestimmungshilfe heranziehen. Zur Unterscheidung nahe verwandter Säugetierarten gibt es Spezialwerke. Vergleichend osteologische Werke gibt es auch für Vögel und Fische.

Die morphologischen Merkmale am Fundstück sind entscheidend für seine makroskopische bzw. mikroskopische Bestimmung. Ist ein Knochenfragment bestimmt, kann es in die Fundstatistik aufgenommen werden. Das Bestimmungsniveau kann unterschiedlich sein. Es orientiert sich zwar an der bestehenden Zoologischen Systematik (Klasse Ordnung Familie Unterfamilie Gattung Art), jedoch gibt es auch Kategorien, die kein Pendant haben, z.B. diejenige der „kleinen Wiederkäuer“.

Quantifizierung

Die Fundstatistik einer Knochen- bzw. Molluskenansammlung kann über verschiedene Parameter ermittelt werden. Die drei wichtigsten sind Fundzahl, Mindestindividuenzahl und Knochengewicht.

Knochenmaße

Das Vermessen von Tierknochen erfolgt nach international festgelegten Regeln (s. Messmethodik A. von den Driesch 1976). Knochenmaße sind daher Ergebnisse, die absolut reproduzierbar sind, jede(r) Forscher(in) erzielt in der Regel beim selben Knochen identische Messwerte.

Altersbestimmung

Zahnwechsel vom Milchgebiss zum Dauergebiss erfolgt in einem gewissen Zeitrahmen (da genetisch gesteuert). Bei den Haustieren ist der Wechsel spätestens mit 5-6 Jahren vollzogen (Nickel et al. 1987). Nach diesem Zeitpunkt lässt sich das Alter makroskopisch nur noch anhand des Abkauungszustandes der bleibenden Zähne beurteilen. Das Verwachsen von Epiphyse und Diaphyse bei Langknochen geschieht in einer bestimmten Reihenfolge und zu einem bestimmten Zeitpunkt, sodass aufgrund von rezenten Vergleichsdaten ungefähr ermittelt werden kann, in welchem Alter und ggf. zu welcher Jahreszeit ein Tier erlegt bzw. geschlachtet wurde.

nach obe

Viele Säugetiere weisen einen ausgeprägten Sexualdimorphismus auf, d.h. beide Geschlechter unterscheiden sich in Skelettgröße und -morphologie, etwa am Gebiss, in der Behornung, am Becken usw. Bei der Analyse eines Knochenfundgutes ist es wichtig zu wissen, wie das Verhältnis männlich zu weiblich bei den verschiedenen Arten ist. Je nach Gewichtung wird die Nutzungsform eine Andere sein.

Zerlegungsmodus – Hack- und Schnittspuren

Die Tötung eines Tieres kann unterschiedlich erfolgen. Das Ausbluten (innerlich oder äußerlich) ist u. a. deshalb wichtig, weil es den Verwesungsprozess verzögert und das Fleisch – zumindest aus heutiger Sicht – genießbarer macht. Das Zerlegen eines Tieres folgt prinzipiell den anatomischen Gegebenheiten, kann jedoch je nach Kulturkreis kleinere Unterschiede aufweisen. Mitentscheidend für die Zerlegungsweise sind die Größe des Tieres und die vorhandenen Gerätschaften (Steinartefakte, Messer, Hackmesser, …). Man unterscheidet zwischen Grobzerlegung in Körperpartien und Feinzerlegung in küchen- bzw. topfgerechte Portionen.

Pathologisch-anatomische Veränderungen am Skelett

Osteologische Belege für Erkrankungen bei Wildtieren sind verhältnismäßig selten im Fundgut. Haustiere sind dagegen häufiger von Krankheiten betroffen, was u. a. auf die Haltungs- und Fütterungsbedingungen, die unphysiologischen Belastungen bei Arbeitstieren, die Probleme bei Stallhaltung, und die Folgen von Inzucht zurückzuführen ist. Die Dokumentation pathologisch-anatomischer Veränderungen am Skelett und Gebiss dient dazu, die gesundheitlichen Probleme bei Tieren in der Vergangenheit aufzudecken, auch im Hinblick auf das erstmalige Auftreten von Zoonosen sowie bestimmten Erkrankungen des Bewegungsapparates infolge übermäßiger Inanspruchnahme seitens des Menschen. Die Haltung in Gefangenschaft von Wildtieren kann ebenfalls zu ernsthaften Beeinträchtigungen am Kau- und Bewegungsapparat führen.nach oben

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  • Desse J. & Desse-Berset N. éds., 1984ff. Fiches d’ostéologie animale pour l’archéologie. Série A Poissons, Série B Mammifères. CRA /CNRS Valbonne. Juan-les-Pins : Éditions APDCA.
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  • Nickel R. et al., 1987. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Band 2. 6. Auflage. Eingeweide. Berlin: Parey.
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  • Schmid E., 1972. Tierknochenatlas. Amsterdam: Elsevier.
  • Weinstock J., 2001. Demography through osteometry: sex ratios of reindeer and hunting strategies in the Late Glacial site of Stellmore, northern Germany. ArchaeoZoologia 11: 187-198.

Wichtige Fachzeitschriften / -reihen

  • Anthropozoologica – Paris // Archaeofauna – Madrid // ArchaeoZoologia – Grenoble
  • Documenta Archaeobiologiae – München
  • International Journal of Osteoarchaeology – London
  • Journal of Archaeological Science – London
  • + Beiträge in archäologischen Zeitschriften (z.B. Antiquity, Current Anthropology, Prähistorische Zeitschrift…)